#fragtarek – Die Kolumne (1): Muskelmasse, Körperfett und Performance Indikatoren im leistungsorientierten Volleyball

Die Frage

Hi Tarek, habe schon wieder eine Frage für dich! Meine Spielerinnen (2.Bl Volleyball) wurden im Juni Kraftvermessen. Zu dem Zeitpunkt sind wir aus der Ausdauerphase gekommen. Jetzt im Dezember haben wir sie ein 2. Mal vermessen. Alle Spielerinnen haben an Muskelmasse verloren und Fettmasse zugelegt.
Nach dem Ausdaueraufbau sind wir im Juli in das Maxkrafttraining gegangen, seit die Saison läuft (Ende September), machen wir nur noch eine Krafterhaltung und stabilisieren individuelle „Problemzonen“ (Knie, Schultern, Rücken, etc).
Hast du eine Idee, woran das liegen könnte? Die Zunahme ist sowohl relativ, als auch absolut erfolgt. Allerdings gab nicht zwingen eine Gewichtszunahme…


Die Antwort

Hallo,
Diagnosten aus der Ferne zu stellen ist immer schwierig, vor allem wenn man eine Mannschaft nicht engmaschig betreut und die SpielerInnen gut kennt.

Aber: wenn durchweg ALLE Spielerinnen Muskulatur verloren und Körperfett aufgebaut haben, kommen hier meines Erachtens verschiedene Dinge zusammen.

Punkt 1 ist der "Normalste": du wirst in einer Mannschaft auf hohem Niveau (wie es Bundesliga-Volleyball ist) in-Season immer einen Verlust an Muskelmasse haben.

Den kannst du eigentlich kaum aufhalten - die Belastung während der Saison ist hoch, und wie man unschwer merkt, wenn man eine Mannschaft trainiert, lässt sich während der Saison maximal ein Krafterhalttraining durchführen.

Im American Football heißt es daher grundsätzlich, wenn die Spieler nach der Saison zumindest "nur" an Muskelmasse verloren haben (und keine gravierenden Verletzungen haben), ist das ein Gewinn.
Die Frage ist lediglich die nach dem Grad des Muskelverlusts  - also wie viel an Muskulatur tatsächlich verloren ist, hier müsste man nochmal genauer auf die Werte schauen, aber nach einem kurzen Blick auf die vorliegenden Daten scheint es nicht übermäßig viel zu sein, sich also im normalen Rahmen zu bewegen

Volleyball ist eine Sportart mit hohem Trainingsvolumen / Foto von ODAYAKA GUREI auf Unsplash

Punkt 2 hängt höchstwahrscheinlich damit zusammen, zumindest ist das meine Erfahrung mit Mannschaften, dass hier während der Saison und eigentlich allgemein deutlich zu wenig und vor allem zu unspezifisch gegessen wird.

Um die Belastung kompensieren zu können reden wir hier im Schnitt von 2g Protein pro Kilogramm Körpergewicht, das ist bei Spielerinnen, die 70kg wiegen, ganz schnell 140g Protein. Das ist richtig viel und die wenigsten schaffen das, wenn es keine sehr engmaschige Kontrolle und Ernährsberatung gibt, was in Sportarten, die weniger populär sind als Fußball, generell nicht der Fall ist.

Für die meisten SportlerInnen ist durch das hohe Volumen an Training eine intensive Beschäftigung mit Ernährung aus ästhetisch-optischen Gründen nicht notwendig, da der Energieumsatz sehr hoch ist und man nicht auf die Kalorien achten muss - was dann aber im Umkehrschluss häufig dazu führt, dass insgesamt zu wenig und dann vor allem zu wenig Protein gegessen wird und das kostet zusätzlich Muskulatur.

Spitzensport verlangt Spitzenernährung / Foto von ODAYAKA GUREI auf Unsplash

Der dritte Punkt ist dann schon Recht spezifisch: man könnte dann natürlich genauer in die Trainingsplanung schauen und versuchen hier zu optimieren. 

Das halte ich aber gar nicht zwingend für notwendig.

Denn: die Frage ist, wie relevant ist die Muskelmasse für die SpielerInnen, bzw. wie viel Muskelmasse ist relevant.

Ja, natürlich, Muskulatur ist notwendig zur Verletzungsprophylaxe, aber im Kern brauchen wir als Key Performance Indicator (KPIs) im Volleyball nicht Muskulatur, sondern andere Marker.
Daher würde ich die Muskelmasse in den Testings eher an vierte Stelle (oder noch weiter nach hinten stellen) und nach anderen KPIs entscheiden, ob die Vorbereitung und das Training gut waren.

Als KPIs im Volleyball würde ich folgende Parameter präferieren:

  1. Vertical Jump als primärer Indikator für die Sprungkraft
  2. Kniebeuge als primärer Indikator für die Maximalkraft im Unterkörper
  3. Klimmzug als primärer Indikator für die Maximalkraft im Oberkörper

Ergänzend könnte man als Indikator für Schnelligkeit und Agilität noch einen Shuttle Run oder eine ähnlich dynamische Übung ergänzen.

Wenn sich die Indikatorlifts und -tests vom Beginn der Vorbereitung bis zum Ende der Vorbereitung nicht verbessern, war die Vorbereitung schlecht, wenn sie sich innerhalb der Saison gravierend verschlechtern, war das Volumen zu hoch oder das Trainingspensum im Kraftraum zu gering. 

Umgekehrt spricht es für die Trainingsintervention, In-Season und während der Vorbereitung, wenn die KPIs sich verbessern.

Zudem ist recht klar, dass wenn die KPIs als Leistungsindikatoren sich verbessern, die Bodycomp sich zeitgleich verbessern muss. Mehr Leistung in Kraft, Agilität und Explosivität geht nahezu immer mit einer Verbesserung der Bodycomp einher.

In diesem Szenario braucht man dann die Muskelmasse als feste Variable nur noch als Ergänzung.

In dem Moment wo die KPIs stagnieren UND die Muskulatur abnimmt müsste die Trainingsplanung einer exakten Analyse unterzogen werden. 

Für optimale Leistung im Sport müssen wir multidimensional denken, aber nicht kompliziert / Foto von Scott Webb auf Unsplash

Takeaways

Gutes Athletiktraining muss multifaktoriell, aber nicht zu kompliziert gedacht werden.

Wir brauchen relevante KPIs und müssen primär zwei Dinge im Blick haben: Trainingsvolumen und Regeneration, die maßgeblich von der richtigen Ernährung abhängt.

Gerade in Mannschaftssportszenarien sehen wir häufig deutlich zu viel Trainingsvolumen und zu wenig Essen, was einen Leistungsabfall und eine Verschlechterung der Bodycomp zur Folge haben kann.

Die richtigen KPIs über die Saison im Blick zu haben, ist wichtig und der Schlüssel zu einer langfristig gesunden und erfolgreichen Mannschaft.

Hast du auch Fragen für die #fragtarek Kolumne? 

Schick sie uns gern per Mail und mit etwas Glück beantworten wir sie in einem der nächsten Blogbeiträge.


Hast du auch eine Frage für die Kolumne? Schreib uns an info@teamtarek.de