Zwei Gründe, warum ich kein Mindset coache

Mindset ist eine dieser Tage durch viele Dörfer getriebene Sau, was schließlich dazu führt, dass jede/r davon spricht, aber niemandem klar ist, was er oder sie damit eigentlich sagt.

Coaches verdienen ihr Geld damit, anderen Menschen zu erklären, sie müssten ihr `Mindset` ändern, um dieses oder jenes zu erreichen. Sie entwickeln Seminare für Mindset-Coaching.

Personal TrainerInnen sprechen über Mindset ihrer KundInnen, als sei es ein Schema von Satz- und Wiederholungszahlen und erzählen etwas vom „Why“ hinter allem.

Dabei bezeichnet Mindset zunächst einmal die Summe der Denkweisen, Überzeugungen und Verhaltensmuster und damit die innere Haltung von Menschen. Grundsätzlich gilt damit, dass jede/r ein Recht auf eigene Überzeugungen und damit ein bestimmtes Mindset hat, zweitens, dass niemandem zusteht, diese Überzeugungen zu bewerten.

Mindset zu coachen bedeutet oftmals, innere Überzeugungen des Gegenübers als defizitär und änderungsnotwendig zu kennzeichnen – ich unterstelle meinem Coachee, sein Mindset sei fehlerhaft, weil er oder sie kein ausreichend „starkes Warum“ hat.

Weder das eine noch das andere steht mir dabei zu: das Warum zu kritisieren und es verändern zu wollen.

Was aber noch viel wichtiger ist: der Aufwand ist sinnlos; zumindest in Zusammenhängen, die nicht-psychologisch und damit nicht-therapeutisch sind.

Mindset zu coachen ist schlichtweg nicht zielführend.

 Primär aus zwei Gründen.

Kein Mindset-Coaching, sondern Kalendersprüche (Foto von Nik auf Unsplash )

Progressionspotential

Mindset zu coachen hat ein extrem geringes Progressionspotential.

Ich verändere innere Haltungen, Überzeugungen und Sichtweisen nicht, indem ich zwischen Arbeitssätzen zwei bis drei Sätze wechsle oder indem ich zwei Mal im Monat 15 Minuten in einem Zoom-Call sitze. Innere Haltung ist etwas über Jahre gewachsenes und damit etwas zutiefst in der Persönlichkeit verwurzeltes, sie ist die Summe aus einer ganzen Reihe von Glaubenssätzen, Überzeugungen, Wünschen, Erfahrungen und vielem mehr.

Mindset ist kein Gegenstand eines Coachings, sondern ein Buzz-Word für Persönlichkeit und damit per se nicht coachbar. Es ist weit komplexer, als jeglicher Coaching-Vorgang es erfassen könnte und übersteigt die Kompetenz des Trainers oder der Trainerin bei weitem.

Einstellungen zu Ernährung und Lebensgewohnheiten sind viel tiefer im Menschen verankert, als das Wort Mindset vermuten lässt. Sie sind Ausdruck kultureller und soziologischer Prägung und Resultat verschiedenster Erfahrungen und Erlebnisse.

Damit ist ein Coaching von Mindset – also die vermeintliche „Optimierung“ innerer Haltung – nichts, was progressiv gedacht werden kann, von A nach B. Und somit kein legitimer Gegenstand eines strukturierten, progressiv ausgerichteten Konzepts zur nachhaltigen Veränderung.

Voraussetzung statt Coaching-Inhalt

Mindset ist eine Voraussetzung, kein Ziel des Coachings.

Jegliche Form von Coaching muss begonnen werden aus einer bestimmten inneren Haltung heraus. Wenn das Coaching diese innere Haltung erst entwickeln muss, vergeudet es Energie und Ressourcen.

Coaching arbeitet mit Methoden, Konzepten und Instrumenten, um bestimmte Veränderungen leichter umsetzbar zu machen und KundInnen die Möglichkeit zu geben, Dinge zu implementieren, die sie implementieren möchten.

Es ist nicht Aufgabe des Coachings, das zu Implementierende zu entwickeln, sondern den Vorgang der Implementierung gangbarer und einfacher umsetzbar zu machen. Wenn dein Darm dich verrückt macht, aber es dein Mindset nicht zulässt, auf Chips als Seelentröster am Abend zu verzichten, wird kein Coaching der Welt die notwendige Veränderung dieser tief verwurzelten Überzeugung erreichen können.

Wenn ich dir sage, dass der erste Schritt zu einem etwas gesünderen Leben ein täglicher Spaziergang ist, du aber jeden Tag zehn neue Gründe findest, warum du nicht spazieren gehen kannst, ist das Problem nicht die Intervention, sondern das Mindset. Bestimmte Dinge sind nicht verhandelbar, wenn man sich dafür entschieden hat, einen Prozess der Veränderung einzuleiten. In dem Moment, wo Unverhandelbares verhandelt werden soll, haben wir kein inhaltliches, sondern ein strukturelles Thema: bestimmte Überzeugungen sind nicht ausreichend, um den Prozess der Veränderung tatsächlich umzusetzen. Jegliche Bemühung, das Unverhandelbare zu verhandeln und zu erklären, warum es sinnvoll wäre, Überzeugungen zu verändern, neue Denkweisen zu entwickeln, sind schlichtweg nicht effizient und gleichzeitig langwierig, arbeitsintensiv und dennoch wenig erfolgsversprechend.

Womit es für ein Coaching uninteressant ist.

Takeaways

All das heißt nicht, dass Mindset grundsätzlich nicht gecoacht werden kann oder sollte – nur in der Regel nicht von denjenigen, die vorgeben, es zu tun. Coaching ist immer eine gemeinsame Anstrengung, bestimmte Dinge, von denen Coach und Coachee gleichermaßen überzeugt sind, dass sie sinnvoll sind, möglichst nachhaltig und gleichzeitig einfach im Lebensentwurf des Coachees zu verankern. In dem Moment, wo der*ie Coach erst die Überzeugung schaffen muss, dass diese Dinge tatsächlich sinnvoll und wirksam sind, kämpft er oder sie gegen Windmühlen; oder aber, erschafft sich ein wirtschaftliches Perpetuum Mobile: denn dann, wenn ich nur noch daran arbeite, überhaupt eine gewisse Überzeugung zu erschaffen, ohne jemals an die Inhalte zu kommen, gleichzeitig aber die Notwendigkeit dieser Überzeugung stetig plausibel mache, werde ich den/die KundIn nahezu dauerhaft an mich binden können.

Und tatsächlich ist das der einzige Grund, warum Coaches und Berater in vielerlei Hinsicht so erfolgreich sind und Speakern so häufig zugehört wird: sie verkaufen das Gefühl, dass eine Veränderung im Mindset nötig sei, ohne das Versprechen darauf jemals einzulösen.

Auch das hat nur ein geringes Progressionspotential und so gut wie keine Erfolgsaussichten. Diese Tatsache jedoch wird hinter einer aufwendigen und lauten, stetigen Emotionalisierung versteckt, die sich billigster Kalendersprüche zur „Mindset-Veränderung“ bedient und Instagram-Caption an epische schwarz-weiß Videos reiht und somit Inhaltsleere hinter Hochglanzästhetik versteckt.

Wann immer ein solcher Rahmen also zur Mindset-Veränderung aufruft, ist es nicht der Richtige und auf Dauer ohnehin zu laut, zu schrill, zu extrem, um damit nachhaltig Veränderung erzielen zu können.

Und damit der finale Grund, auch weiterhin kein Mindset zu coachen.

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