Im letzten Jahr ist hier ein ausführlicher Blog-Beitrag zu Aspartam erschienen, der die komplette Diskussion um das künstliche Süßungsmittel inklusive aller Kontroversen bis 2024 aufgearbeitet und eingeordnet hat.
Inzwischen sind neuere Arbeiten erschienen, die eine etwas nuanciertere Bewertung verlangen.
Während im originalen Artikel die grundlegende Takeaway-Message war, dass Aspartam in handelsüblichen Mengen unproblematisch ist und die meisten Untersuchungen, die gesundheitsgefährdende Aspekte des Süßungsmittels feststellten, weit über das Normalmaß hinausgehende Mengen für ihre Studien verwendeten, verlangen neuere Ergebnisse eine Relativierung dieser Aussage.

Aspartam: Zuckerersatz in vielen Light- oder Zero-Getränken
Die neuen Erkenntnisse zu Aspartam
Konkret geht es um das Risiko für Atherosklerose durch die Einnahme von Süßstoffen. Zunächst hatte eine Arbeitsgruppe um Marco Witkowski von der Charité in Berlin 2024 festgestellt, dass die Süßstoffe Xylitol und Erythritol über eine Vermehrung von Thrombozyten das Risiko für Thrombosen erhöhten, zumindest im Reagenzglas – was selbstverständlich für den menschlichen Organismus nichts bedeuten muss, aber zumindest beobachtet werden sollte (Witkowski 2024).
Insgesamt mehren sich damit die Hinweise darauf, dass Süßstoffe zu einer Erhöhung des Risikos für kardiovaskuläre Erkrankungen beitragen, immerhin global gesehen einer der größten Mortalitätsfaktoren.
Für eine Forschergruppe aus China war das Anlass, Aspartam genauer in den Blick zu nehmen um festzustellen, inwiefern und wie Aspartam auf das Risiko für die Entwicklung solcher Krankheiten wirkt. Zunächst wurden Mäusen normale Dosierungen von Aspartam verabreicht und beobachtet, dass die Insulinproduktion anstieg und in der Folge davon, durch ein bestimmtes Molekül, die Anreicherung von weißen Blutkörperchen, was dann direkt das Risiko für Atherosklerose erhöht. Diese Ergebnisse konnten die ForscherInnen schließlich an Affen, die dem Menschen deutlich näher sind, reproduzieren.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Insulinstimulierung vermutlich durch den Vagusnerv initiiert wurde, da Tiere ohne diesen Nerv – vagotomierte Tiere – diese Reaktion nicht zeigten.
All das heißt nach wie vor bei weitem nicht, dass der Konsum von Cola Light direkte gesundheitsschädliche Folgen hat. Aber es zeigt zum wiederholten Male, dass Süßstoffe nicht ohne physiologische Reaktion im Organismus sind und es lässt zumindest ein gewisses Bewusstsein im Konsum angeraten erscheinen.
Schon frühere, auch größere Untersuchungen, hatten zumindest einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Süßstoffen und der Gefäßgesundheit aufgezeigt, so eine systematische Review von Girigosavi et al. aus 2024 zur Korrelation von Schlaganfällen und Süßstoffen, oder eine großangelegte Meta-Analyse von Queiroz et al. 2025, die mehrere Kohortenstudien mit über 1 Millionen Teilnehmenden ausgewertet hatte und zu dem Schluss kam, dass eine hohe Süßstoffzufuhr zumindest korreliert mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle und kardiovaskuläre Erkrankungen.
Eine französische Forschergruppe um Charlotte Debras hatte zudem bereits 2022 anhand einer Datenbasis von über 100.000 TeilnehmerInnen einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Aspartam und Süßstoffen allgemein sowie kardiovaskulären und die Durchblutung des Gehirns betreffenden – zerebrovaskulären - Erkrankungen festgestellt, allerdings auch hier nur auf Basis einer Korrelation in einer Kohortenstudie. Aspartamkonsum zeigte hier ein 17% höheres Risiko, eine Durchblutungsstörung im Gehirn zu entwickeln als der Verzicht darauf.
Ähnlich Ergebnisse lieferten Kan 2024, Sun 2024, sowie eine neuere Arbeit von Debras 2023.
Die aktualisierten Empfehlungen zum Umgang mit Aspartam
Aus diesem Grund gilt es, die zuletzt gemachten Aussagen über Aspartam geringfügig zu ergänzen und zu kontextualisieren.
- Aspartamhaltige und Süßstoffhaltige Getränke können in üblichen Mengen bedenkenlos konsumiert werden ohne negative gesundheitliche Folgen erwarten zu müssen – allerdings sind übliche Mengen nicht mehrere Liter gesüßter Getränke am Tag. Vermutlich ist es sehr sinnvoll, 1-1.5 Liter am Tag mit süßstoffhaltigen Getränken nicht zu überschreiten.
- Fachgesellschaften geben eine Höchstmenge von 40mg bzw. 50mg pro Kilogramm Körpergewicht als sicher und unbedenklich an - was 9-14 Dosen Cola Light pro Tag entspricht (WHO Statement 2023; EFSA Panel 2013)
- Aspartamhaltige Getränke werden häufig in hohen Mengen von Menschen konsumiert, die abnehmen möchten, von einer zuckerhaltigen Ernährung kommen und durch den Ersatzstoff die Kalorienzufuhr reduzieren möchten. Für solche Personen gilt häufig, dass sie durch ein bestehendes Übergewicht anfälliger sind für kardiovaskuläre Erkrankungen. In solchen Fällen könnte es kontraproduktiv sein, zusätzlich größere Mengen Aspartam oder andere Süßungsmittel zuzuführen. In solchen Fällen – übergewichtig, hoher Konsum von gesüßten Getränken – wäre daher vom regelmäßigen, unreflektierten Konsum von Süßstoffen eher abzuraten.
- Grundsätzlich gilt für alle Menschen, dass ein grenzenloser Konsum von Süßstoffen keine gute Idee zu sein scheint. Es ist daher empfehlenswert, seinen täglichen Konsum süßstoffhaltiger Getränke, gleich welcher Provenienz, einzuschränken und auf etwa 1.5l pro Tag zu begrenzen.
- Die positiven Folgen eine starken Gewichtsreduktion auf das Risiko, an kardiovaskulären Erkrankungen oder Schlaganfällen zu sterben, ist in jedem Fall höher einzuschätzen als die negativen Auswirkungen einer Süßstoffzufuhr. Wenn die Zufuhr von Süßstoffen daher eine temporäre Strategie in einem größer angelegten Plan zur Gewichtsreduktion ist, spricht nichts dagegen.
Süßstoffe sind nicht einfache Zusätze, die ein Getränk süßer machen und keine Kalorien haben – sondern bioaktive Stoffe die in einem Organismus Auswirkungen haben. Ganz grundlegend scheint es daher so zu sein, dass ein gesunder Organismus keine oder wenige Probleme damit haben wird, ein vorbelasteter Organismus unter Umständen mehr. In jedem Fall ist daher ein bewusster und pragmatischer Umgang damit angeraten.
Literatur:
Debras, C., Chazelas, E., Sellem, L., Porcher, R., Druesne‐Pecollo, N., Esseddik, Y., … & Touvier, M. (2022). Artificial sweeteners and risk of cardiovascular diseases: results from the prospective nutrinet-santé cohort. BMJ, e071204.
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