Warum das Ruderergometer kein Training für den Rücken ist – Zwei Missverständnisse & ein Protokoll für AnfängerInnen

Wir alle sind auf der Suche nach dem einen Gerät, was einfach alles auf einmal erledigt. Die beste Idee ist dabei immer, Ausdauertraining mit Krafttraining zu verbinden – Auftritt Ruderergometer.

Das Rudergerät scheint die ideale Kombination von kardiovaskulärem Training und Rückentraining zu sein – schließlich ist Rudern per se eine dezidierte Rückenübung. Kein Wunder, dass das Ruderergometer sehr gern als eine Art Allzweckwaffe empfohlen wird, als das eine Gerät, was (fast) alles kann.

Denn wer viel sitzt und nach vorn arbeitet, tut gut daran, seinen Rücken zu trainieren; wer nicht joggen kann, aus welchen Gründen auch immer, kann die Ausdauer trainieren – kurz: ein Ruderergometer ist das optimale Gerät.

Ein Missverständnis.

Aus zwei Gründen.

Rudergerät - die Allzweckwaffe? / Foto von Kyle Kranz


Die arbeitende Muskulatur beim Rudern

Der erste ist die arbeitende Muskulatur. Ja, das Rudergerät verlangt einen Zug aus dem Rücken – allerdings nur sekundär. Primär geht es beim Rudern darum, möglichst viel Kraft aus den Beinen zu generieren und einen kräftigen Abdruck zu realisieren, so, dass die Rückenmuskulatur nur noch „nachziehen“ muss, weil die Power aus dem Unterkörper generiert wurde. Je mehr also der Rücken arbeitet, desto eher wird die eigentliche Technik des Rudergerätes verfehlt.


Der Trainingsreiz beim Rudern

Der zweite ist noch entscheidender – geht es hier doch um den Trainingseffekt. In der Trainingswissenschaft ist ein Reiz trainingsrelevant für den entsprechenden Muskel, wenn eine Last bewegt wird, die mehr als 65% von der Maximallast beträgt, die bewegt werden kann. Also, konkreter: wenn ich Bizeps-Curls mit einer 10kg Hantel machen kann, sie aber mit einem Stift ausführe, der 10g wiegt, ist das kein trainingsrelevanter Reiz für meinen Armbeuger. Anders sieht es aus, wenn ich statt der 10kg Hantel eine 7kg Hantel nehme – dieser Reiz wäre ausreichend, um meinen Körper zur Anpassung zu zwingen. Als ungefähre Faustformel kann man sagen, dass ein trainingsrelevanter Reiz dann gesetzt wird, wenn ich ein Gewicht maximal 20 Mal nacheinander bewegen kann, ohne pausieren zu müssen.

Auf dem Rudergerät sitzend absolviere ich in der Regel 20 Züge pro Minute – in der Regel sogar deutlich mehr. Und ich höre nach einer Minute nicht auf, sondern halte diese Frequenz für 5, 10 oder sogar 20 Minuten. Das heißt das Gewicht, was ich bewege, ist in jedem Fall zu niedrig, als dass man von einem trainingsrelevanten Reiz sprechen könnte.

Ganz konkret: ein nachhaltig und strukturveränderndes Training der Muskulatur findet auf dem Ruderergometer nicht statt, weil die bewegte Last deutlich zu niedrig ist. Das heißt nicht, dass nicht eine lokale Ermüdung eintreten kann und die Muskulatur beansprucht wird, sie wird aber nicht nachhaltig strukturverändernd trainiert.


Die Haltung beim Rudern

Zudem gilt es eine weitere wichtige Einschränkung zu beachten: 10, 20 oder gar 30 Minuten auf dem Rudergerät sind aus posturaler Sicht nicht unbedingt einfach durchzuhalten. Die meisten Menschen schaffen es nicht, 20 Minuten am Stück auf einem Stuhl mit Rückenlehne aufrecht und gerade zu sitzen – fast niemandem gelingt das auf einem Rudergerät. Das heißt die Form leidet in aller Regel schnell, der Rücken wird eingerundet und die Ruderbewegung unsauber. Die fortschreitende Ermüdung fordert ihren Tribut.

Hinzu kommt, dass die weitaus meisten Menschen deutlich mehr davon profitieren, aus der Haltung, die sie 8 Stunden am Tag einnehmen (sitzen), herauszukommen, anstatt sie auch in einem Sportprogramm dauerhaft einzunehmen.

All diese Punkte machen deutlich, dass das Ruderergometer keineswegs Ausdauer- und Krafttraining in einem ist – es ist noch nicht einmal als reines Ausdauergerät uneingeschränkt empfehlenswert, weil es eben hohe Ansprüche an Haltung und Technik stellt.

Die magische Seite des Ruderns / Foto von Vu Khuee


Die Vorteile des Ruderergometers

Aber das macht das Rudergerät nicht zu einem schlechten Trainingsgerät, im Gegenteil. Es ist für den Heim- und Studiogebrauch eines der beiden Cardio-Geräte, das ich am häufigsten empfehle.

Denn ein entscheidender Vorteil des Rudergerätes ist die fehlende exzentrische Komponente der Bewegung – ich muss keine Belastung abfedern oder abstoppen. Beim Laufen beispielsweise muss ich jeden Schritt abfedern und habe damit eine sehr hohe Belastungskomponente auf Muskeln, Sehnen, Bändern und Gelenken. Beim Ruderergometer ist das nicht der Fall – was es zu einer deutlich gelenkschonenderen Alternative als Laufen macht.

Ein zweiter großer Vorteil des Rudergerätes ist etwas, was wir oben zunächst als Nachteil deklariert hatten – die sitzende Position. Während das grundsätzlich nichts ist, was wir durchweg möchten, kann das in einigen Fällen durchaus hilfreich sein. Gerade ältere Menschen profitieren häufig von Übungen, die sie im Sitzen ausführen können, was das Rudergerät gerade in solchen Fällen zu einem wertvollen Tool macht.

Schließlich bietet das Rudergerät etwas, was gerade im Laufen häufig fehlt: die Möglichkeit der sehr exakten Belastungssteuerung. Viel genauer als beim Laufen kann ich mich auf Tempo und Kraft konzentrieren, und viel mehr als beim Laufen kann ich somit darauf achten, einen bestimmten Belastungsbereich nicht zu überschreiten.

Ich kann zudem sehr genau auf die Wiederholbarkeit einer Leistung achten – und damit mein Training sehr gezielt steuern, um tatsächlich meine Ausdauer zu verbessern. Denn während es beim Laufen sehr schwer ist, eine Kilometerzeit exakt zu reproduzieren, ist das beim Rudergerät deutlich einfacher, womit sich Training sehr einfach progressiv gestalten lässt.

Rudern als Intervalltraining / Foto von Viktor Freitas


Trainingsplanung & Standards für das Rudergerät

Am besten funktioniert das, wenn man das Rudergerät für Intervalltraining nutzt. Der wichtigste Parameter, den man dazu ablesen sollte, ist die Pace oder Split-Zeit, die auf jedem Display eines Rudergeräts angegeben wird. Diese Angabe bezieht sich auf die Zeit, die man beim aktuellen Tempo braucht, um 500m zu rudern.

Konsistenz ist hier das Schlüsselwort – mit der richtigen Technik sollte es möglich sein, ein Tempo für einen bestimmten Zeitraum zu halten, ohne ständig langsamer und schneller zu werden.

Als ersten Meilenstein nutze ich gern die 250m für Männer und 200m für Frauen, die ich in 60 Sekunden errudert haben möchte. Schrittweise steigere ich dann die Distanz und arbeite mit Verlängerung und Verkürzung der Pausenzeit, um zum zweiten Meilenstein zu gelangen: 2 Minuten für 500m für Männer, 2.30 Minuten für Frauen. Diese 500m Zeit möchte ich dann schrittweise steigern auf 1.55 / 2.20, 1.45 / 2.05, 1.40 / 1.55 um dann schließlich den Umfang zu erweitern bis auf 2000 Meter. Hierfür sind mein Standard ungefähr 8 Minuten für Männer und 10 Minuten für Frauen, was sich dann idealerweise bis auf um die 7.10 Minuten für Männer und 8 Minuten für Frauen steigern lässt.

Die Standards nochmal im Überblick:

Stufe 1

60 Sekunden

200m (Frauen)

250m (Männer)

Stufe 2

500m

2.30 Min. (Frauen)

2 Min. (Männer)

Stufe 3-5

500m

2.20 / 2.05 / 1.55 Min.

1.55 / 1.45 / 1.40 Min.

Stufe 6

2000m

10 Min. (Frauen)

8 Min. (Männer)

Endziel

2000m

8 Min. (Frauen)

7.10 Min. (Männer)


Aus diesen Vorgaben und Standards ergibt sich folgendes, einfaches Protokoll für das Training auf dem Rudergerät:

Phase 1

200m / 250m

2 Min. Pause

4,6,8,10 Sets

Ziel: 60 Sek.

Phase 2

200m / 250m

90 Sek. Pause

4,6,8,10 Sets

Ziel: 60 Sek.

Phase 3

200m / 250m

60 Sek. Pause

4,6,8,10 Sets

Ziel: 60 Sek.

Phase 4

300m / 375m

2 Min. Pause

4,6,8,10 Sets

Ziel: 90 Sek.

Phase 5

500m

2 Min. Pause

4,6,8,10 Sets

Ziel: 2.30 / 2 Min.

Mit den zwei Minuten bzw. der jeweiligen Pause sollte es möglich sein, in jedem Satz dieselbe Pace zu rudern; sollte hier ein Drop (Abfall der Geschwindigkeit) von mehr als 5% eintreten, ist die Trainingseinheit beendet.

Pro Woche bzw. jede zweite Trainingseinheit sollte die Anzahl der Intervalle um 2 erhöht werden-

Am Ende der jeweiligen Phase sollte es möglich sein, 10 Sets mit einer festgelegten Pace bei entsprechender Pause durchzuhalten.

Sobald das für 10 Sets mit 2 Min. Pause für die 500m funktioniert, erhöhen wir schrittweise das Volumen, was aber dann den fortgeschrittenen Protokollen vorbehalten bleibt.

Das Protokoll kann pro Phase 1-2 Mal pro Woche trainiert werden, idealerweise in Kombination mit 2-3 Einheiten Krafttraining und einer reinen Ausdauereinheit, entweder auf dem Rad oder beim Laufen.

Viel Erfolg mit der Umsetzung der Intervalle auf dem Rudergerät in der Praxis!

Sinnvolles Cardio-Training?

Wir beraten. Unaufgeregt pragmatisch.