Basics des Trainings 3: Pausen

(Dieser Artikel ist Teil einer Serie über Basics des Trainings. Die ersten beiden Teile sind hier und hier nachzulesen.)

Wenn ich Trainingspläne herausgebe, steht in aller Regel neben dem Übungsnamen, der Anzahl der Sätze und Wiederholungen und dem Tempo eine sehr wichtige Information im Plan, die grundsätzlich ignoriert wird: die Pause.

Der Begriff Pause hat in der Trainingswissenschaft unterschiedliche Bedeutungen, die häufigste Begriffsverwendung ist jedoch diejenige, die Pause als den Zeitraum zwischen zwei Sätzen derselben Übung bezeichnet.

Konkret:

[Übungsname]

4* 5 @[Gewichtsangabe]

Tempo: 41x1

120s Pause  

Verschiedentlich nutze ich auch eine Intra-Set-Pause oder eine Pause in der Tempo-Bezeichnung (näheres hierzu siehe im entsprechenden Beitrag zum Tempo). Die Intra-Set-Pause ist insofern eine Besonderheit der Pause, als sie innerhalb eines Satzes verwendet wird zwischen einzelnen Wiederholungen – klassischerweise im sogenannten Cluster-Set. Bei der Intra-Set-Pause pausiere ich innerhalb eines Satzes, was es mir erlauben soll, innerhalb eines Satzes mehr Wiederholungen mit einem bestimmten Gewicht zu absolvieren, als es mir eigentlich möglich wäre – es handelt sich also um eine fortgeschrittene Technik, die innerhalb der Basics des Trainings nicht tiefgreifender erklärt werden muss.

Die Satzpause allerdings, wie sie oben definiert wurde, ist von elementarer Bedeutung. Sie ist, um genau zu sein, der vielleicht unterschätzteste Parameter in der Trainingsplanung.

Beispiel eines Trainingsplans mit Pausenangaben

Warum ist die Pause so wichtig?

Der intuitive Weg der meisten Personen ist, eine Pause zu machen genau so lange, bis „man wieder kann“ – in der Regel heißt das, bis die Atmung sich normalisiert hat und man wieder ausreichend Luft bekommt. Dieser kardiovaskuläre Aspekt ist jedoch nur einer von vielen, die entscheidend sind – und zudem der, der sich am schnellsten erholt. Nach einer Übung wieder ausreichend Luft zu bekommen, geht relativ schnell.

Andere Aspekte brauchen jedoch länger – die neuronalen Komponenten einer Übung nämlich. Das bezieht sich auf Aspekte wie die Atmung richtig zu steuern, dem Körper zu signalisieren, ausreichend Körperspannung aufzubauen, die Becken- und Fußstellung zu kontrollieren, vollen Fokus auf eine Aufrichtung der Brustwirbelsäule zu legen und so weiter. Neuronal ist das deshalb, weil es Befehle sind, die vom Kopf an die einzelnen Körperteile ausgegeben und dort verarbeitet werden müssen. Und diese Kaskade von Befehlen benötigt Ressourcen vor allem kognitiver und koordinativer Art, die nicht nach dreimaligem Durchatmen wieder vorhanden sind.

Genau das ist der Grund, warum die intuitive Art des Pausierens häufig dazu führt, dass die letzten Sätze einer Übung immer schlechter werden, dass die Form leider und das Verletzungsrisiko steigt.

Darüber hinaus haben diese unter zu hoher Ermüdung und zu geringer Erholung ausgeführten Sätze auch keinen positiven Trainingseffekt: wir werden nicht besser bzw. erzielen keinen Fortschritt – sondern einfach nur müder.

Im Prinzip ist das das genaue Gegenteil davon, was wir erreichen wollen. Und genau das ist der Grund, warum Pausen elementar sind für die Trainingsplanung.

Die richtige Pause für den richtigen Trainingsreiz

Die korrekten Pausenzeiten definieren nämlich exakt, welchen Trainingsstimulus wir erzielen wollen und sind somit entscheidend dafür, welches Ziel wir mit unserem Training erreichen.

Je fortgeschrittener jemand ist, desto entscheidender werden die richtigen Pausenzeiten. Am einfachsten versteht man das, wenn man sich zwei Sprinter ansieht. Während der eine zum zweiten Mal im Leichtathletiktraining ist, handelt es sich bei dem anderen um Usain Bolt. Beide haben zum Ziel, schneller zu werden. Der erste wird primär die richtige Technik lernen müssen, um schnell zu werden, also den richtigen Antritt am Start, den richtigen Fußeinsatz, die Schrittlänge usw. Bei ihm geht es vor allem darum, viel zu üben. Weniger entscheidend ist, ob jeder Sprint mit maximalem Fokus durchgeführt wurde – er muss erstmal Sprints machen. Usain Bolt hingegen ist der schnellste Mann der Welt. Will er schneller werden, entscheiden nicht die basalen Dinge, ob ihm das gelingt, sondern Details – Details auf die er achten muss, während er so schnell läuft, wie sonst niemand. Um diese Details während dieser enormen Belastung überhaupt beachten zu können, braucht er vollsten Fokus, er muss vollständig auf jeden einzelnen Aspekt der Bewegung fokussiert sein, von der richtigen Handstellung bis zum Einsatz der Zehen. Um diese Meisterleistung an Körperbeherrschung zu vollbringen genügt es nicht, nicht mehr außer Atem zu sein – Usain Bolt muss bei jeder einzelnen Wiederholung im absoluten Vollbesitz der geistigen Fähigkeiten sein. Was die Pause zwischen den Sätzen zu seinem wichtigsten Parameter macht.

Grundlagen der Pausen

Eine genaue Trainingsplanung gibt daher die exakten Pausenzeiten zwischen den Sätzen in Sekunden an. Ganz generell gilt: je metaboler ein Trainingsreiz sein soll, desto kürzer ist die Pause, je neuraler jedoch, desto länger.

Metabol meint vor allem Stoffwechselanpassungen – also ausdauernder werden oder einen höheren Energieumsatz erzielen.

Neural meint hingegen primär, bessere Leistungen zu erbringen: stärker zu werden oder schneller.

Wir unterscheiden zudem vollständige und unvollständige Pausen.

Vollständige Pausen sollen die nahezu identische Wiederholung der Leistung ohne Leistungsverlust ermöglichen, während unvollständige Pausen einen Leistungsverlust bewusst in Kauf nehmen.

Vollständige Pausen nutzen wir daher immer dann, wenn wir eine Leistungssteigerung erreichen möchten und es uns um Peak-Performance geht.

Unvollständige Pausen erhöhen die Ermüdung, wir haben ein verstärktes Anstrengungsgefühl und steigern vor allem die Kondition, kaum jedoch unsere Kraft oder Leistung.

Wenn das Ziel also ist, in etwas besser zu werden, sollten die Pausen möglichst vollständig zu sein, wenn das Ziel eher ist, etwas länger durchhalten zu können und möglichst wenig zu ermüden, dürfen sie unvollständig(er) sein.

Für vollständige und unvollständige Pausen gibt es klare Vorgaben, die sich untenstehender Tabelle entnehmen lassen:


Die richtigen Pausenzeiten für unterschiedliche Trainingsziele

Die richtige Pausenzeit wirkt damit direkt auf Satz- und Wiederholungszahl sowie Intensität. 12 Sätze mit 1 Wiederholung bei maximaler Intensität wird nicht funktionieren mit einer unvollständigen Pause von 60 Sekunden, wohingegen 3 Minuten Pause bei einem basalen 3*10-12 Plan pure Zeitverschwendung sind, weil die Intensität (das Gewicht) in diesem Wiederholungsbereich niemals so hoch sein wird, dass eine so lange Pause zur Erholung des Nervensystems notwendig ist.

Ich arbeite mit diesen Vorgaben für Pausen gern und häufig, allerdings erst ab einem bestimmten Leistungsniveau. Die Erfahrung zeigt, dass die Komplexität der Pausen für die meisten Trainierenden schlicht überfordernd ist (was macht man 240 Sekunden, 4 Minuten, zwischen zwei Sätzen?), weshalb ich einen theorieferneren, doch praxisnäheren Ansatz als pragmatisches Alltagsmodell empfehle.

Der pragmatische Ansatz zum Pausendesign im Training

In meinem pragmatischen Pausenansatz unterscheide ich grundsätzlich drei Ziele:

Anstrengung – Aufbau – Performance

Wenn das primäre Trainingsziel ist, Anstrengung zu erzeugen, entweder um den Energieverbrauch zu erhöhen (abnehmen) oder die Ermüdungsresistenz zu erhöhen (Kondition), dann ist eine sinnvolle Pausenzeit bei 30 Sekunden. Das 30/30 Protokoll ist mein bekanntestes Einsatzgebiet dieser Pausenvorgabe:

30s Übung 1

30s Pause

30s Übung 2 (oder Wh. Übung 1)

30s Pause usw. 

Wer mit 30s Pause trainiert, wird weder schneller noch stärker, sondern lediglich unempfindlicher gegenüber Ermüdung.

Wem es um Aufbau, also primär Muskelaufbau geht, der oder die fährt am besten mit 60 Sekunden Satzpause. Da Muskelaufbau eine Mischung aus metabolem Stress und der richtigen Belastung ist, haben wir eine Mischform von neuraler und metaboler Anstrengung, weshalb wir mit 60s Satzpausen in einem guten Mittel liegen.

Geht es allerdings um Performance, brauchen wir mindestens 90 Sekunden Satzpause, die auch häufig automatisch länger wird. Der entscheidende Punkt ist hier, dass Trainierende, die in diesem Bereich trainieren, automatisch merken, dass sie mehr Pausen brauchen, weshalb die genaue Vorgabe des Trainers dann gar nicht mehr zwingend notwendig ist. Mehr als 90 Sekunden sollten es in jedem Fall sein, alles andere ist dem oder der PerformerIn überlassen.

Im Überblick:

ZIELSETZUNG / STIMULUS

PAUSE

Stoffwechselanpassung / Metaboles Training („Anstrengung“)

30s

Hypertrophie / Muskelaufbau („Aufbau“)

60s

Leistungssteigerung / Schnelligkeit / Kraftaufbau („Performance“)

90s+

Das Pausen-Missverständnis

Weniger Pausen zu „brauchen“ wird häufig mit einem höheren Fitnesslevel gleichgesetzt – was falsch ist. Weniger Pausen zeugen häufig von einem fehlenden Verständnis für Training. Weniger Pausen sind kein Indikator für einen besseren Trainingszustand, sondern lediglich ein Indikator dafür, was für einen Stimulus eine Person setzt. Wer kurze Pausen oder keine Pausen `braucht`, setzt lediglich einen Stoffwechselreiz und erreicht keine Anpassungen im Bereich der Performance.

Ich erwarte daher grundsätzlich, dass Pausen entsprechend des Plans und zumindest in Anlehnung an den skizzierten pragmatischen Ansatz gemacht und eingehalten werden, weil nur so sichergestellt werden kann, dass wir erreichen, was wir erreichen möchten.

Die richtige Wiederholungszahl mit der richtigen Intensität und den richtigen Pausen dazwischen für die angegebene Satzzahl auszuführen ist die Grundlage von funktionierendem, progressivem Training – also der Durchführung eines strukturierten Programms zur Leistungssteigerung.

Alles andere sind „Workouts“ – und stehen damit außerhalb von Planung.

Viel Erfolg mit dem richtigen Umsetzen von Pausen in der Trainingspraxis!