Basics des Trainings 4: Die richtige Gewichtsauswahl

Eines der häufigsten Probleme zu Beginn des strukturierten Krafttrainings ist die richtige Gewichtsauswahl. Viele Trainierende unterfordern sich zu Beginn, weil sie Angst haben, sich zu verletzen oder ein Gewicht nicht mehr kontrolliert bewegen zu können. Einige tendieren jedoch auch dazu, sich zu überfordern und wählen Gewichte, die sie nicht mit hoher Qualität über den geforderten Bewegungsradius bewegen können. Halbe Wiederholungen oder Wiederholungen mit mehr Hilfestellung durch Coach oder Kollege als eigene Muskelleistung sind die Folge.

Sportwissenschaft und Trainingspraxis haben einige Möglichkeiten entwickelt, um die Gewichtsauswahl besser strukturieren zu können.

Zwei Beispiele, die man häufig in Trainingsplänen sieht, sind folgende:

8* 1 @90%

oder

8*1 @RPE 9

1. Prozentbasierte Gewichtsauswahl 

Die prozentbasierte Gewichtsauswahl beruht auf Prozentangaben (zum Beispiel 3* 8 @70%), wobei sich die Prozentangabe immer auf das 1RM, also das maximale Gewicht, was man für eine Wiederholungen bewegen kann, bezieht.

Prozentangaben haben zwei große Probleme: zum einen ist das 1RM in den weitaus meisten Fällen ein (weit) zurückliegender Wert, der nicht zwingend etwas mit der aktuellen Leistung in einer Übung zu tun hat. Mit 1RMs zu arbeiten macht vor allem im Performance-Bereich Sinn, wo das Maximum regelmäßig getestet wird, bspw. alle 3 oder 6 Monate. Diese Praxis ist jedoch sehr ineffizient: Maximalkrafttests kosten Zeit und Regenerationskapazität – was sie nicht unbedingt zu einer pragmatischen Lösung macht.

Zweitens sind sie – vor allem für AnfängerInnen – ein erhebliches Sicherheitsrisiko. Um an sein Maximum zu gehen ist eine hohe Kompetenz in der Übungsausführung notwendig, was bei AnfängerInnen quasi nie der Fall ist.

2. Subjektivierte Belastungsskala: RPE

RPE-Skala

Eine Lösung des Problems ist Steuerung der Gewichtsauswahl nach subjektivem Tagesempfinden via Rate of perceived Exertion (RPE), also anhand eines Wertes, der die gefühlte Erschöpfung mit einem bestimmten Gewicht wiedergibt. Eine 10 auf der RPE-Skala würde maximale Erschöpfung bedeuten, 9 ist sehr sehr hart, 7 und 8 sind hart und sehr hart, 1 wäre quasi kein Anstrengungsgefühl. Analog dazu wurde die Reps in Reserve (RiR) Skala entwickelt, die angibt, wie viele Wiederholungen mit einem bestimmten Gewicht noch möglich gewesen wären – sie ist gegensätzlich zur RPE-Skala zu lesen: Bei einer 10 auf der RPE-Skala ist keine weitere Wiederholung mehr möglich, also ein RiR von 0. Bei einem RPE von 9 sind es RiR 1 usw.

Das Problem beider Skalen ergibt sich aus dem hohen Grad subjektiven Empfindens, der gerade für AnfängerInnen sehr schwer bis unmöglich einzuschätzen ist. Eine Anfängerin hat in der Regel keinerlei Gefühl dafür, wie viele saubere Wiederholungen sie noch mit einem Gewicht sauber (!) schaffen würde, ein Anfänger tut sich schwer, seine Erschöpfung korrekt einzuschätzen.

3. Neuer Ansatz: Die Intensitätstrias

Sowohl die prozentbasierte Gewichtsauswahl wie auch die RPE und RiR-Skalen funktionieren – aber primär für erfahrene Trainierende.  

Das System, das wir daher im Coaching von Trainierenden im AnfängerInnen- und Intermediate-Stadium (<3 Jahre Trainingsalter) nutzen, geht von drei unterschiedlichen Trainingsgewichtsstufen aus, die in sich klar, wenn auch auf subjektiver Basis definiert sind: die Intensitätstrias.

Sie beurteilt das Gewicht nach der Geschwindigkeit der Bewegung, der Bewegungskontrolle während der Ausführung und dem Gefühl direkt nach der Belastung und ist in drei Kategorien eingeteilt:

Schwer – moderat – leicht.

Schwer = ich kann das Gewicht nicht mehr schnell bewegen, aber die Bewegung ist noch flüssig und kontrolliert, allerdings will ich keine Wiederholung mehr machen, als vorgegeben    

Moderat = ich kann das Gewicht schnell bewegen, habe volle Bewegungskontrolle, könnte vielleicht mehr Wiederholungen machen, aber habe nicht das Gefühl, dass das nötig ist

Leicht = ich kann das Gewicht sowohl schnell wie auch langsam bewegen, habe Bewegungskontrolle in jeder Position und die Tendenz, mehr Wiederholungen machen zu wollen, als vorgegeben sind

Maximum (als zu ergänzende vierte Stufe) wäre demnach, dass ich unsicher bin, ob ich das Gewicht überhaupt noch bewegen kann, keine sichere Bewegungskontrolle mehr habe und unsicher bin, ob die vorgegebene Wiederholungszahl möglich ist.

Schnell bewegtes Gewicht, dennoch Beibehaltung der Bewegungskontrolle: moderates Gewicht.

Als Faustformel lässt sich sagen, dass 80% der Trainingseinheiten im Bereich von moderat / leicht stattfinden sollten, wohingegen 20% der Einheiten schwer trainiert werden müssen.

Intuitiv ist klar, dass leichte und moderate Einheiten mit höheren Wiederholungszahlen und kürzeren Pausen, schwere Einheiten mit niedrigen Wiederholungszahlen und langen Pausen trainiert werden sollten.

Die Intensitätstrias ist der Schlüssel zur richtigen Belastung in jeder einzelnen Einheit. Wenn die vorgeschriebene Intensität `leicht` ist, möchte ich nicht den Satz hören: „ich habe einfach ein paar Wiederholungen mehr gemacht, weil mir das zu leicht war“ – sondern vielmehr: „das war sehr leicht“.

Und das Schlimmste, was man tun kann, ist in einer schweren Einheit das Gewicht zu reduzieren mit der Begründung, es seien so wenige Wiederholungen damit möglich gewesen.

Die Intensitätstrias für die Gewichtsauswahl ist zusammen mit der richtigen Wiederholungszahl, den Pausenzeiten und der Satzstruktur die Grundlage von funktionierendem , progressivem Training – also der Durchführung eines strukturierten Programms zur Leistungssteigerung. Alles andere sind „Workouts“ – und stehen damit außerhalb von Planung.

Viel Erfolg mit der Auswahl der Gewichte in der Trainingspraxis!