Warum Tabata Training nicht die Magische Pille des Trainings ist. Und warum du deine Zeit sinnvoller investieren kannst.

Fit in 4 Minuten?

Der unglaublich anstrengende Kurs im Fitnessstudio mit dem sonderlichen Namen ‚Tabata‘?

Die „Wunderwaffe“ gegen Fett?

Klingt gut, oder?

Lass uns doch einfach dieses Tabata während des Lockdowns machen, wenn das so super funktioniert. Schließlich heißt es ja:

„Kein anderes Training regt Deine Fettverbrennung so stark an und erhöht den Nachbrenneffekt wie ein Tabata Workout.“ (Quelle wird nicht nachgewiesen, um keine Kollegen zu schädigen.)


Ok. Bullshit. Wenn du Fett verbrennen willst und nicht bereit bist, mehr als 4 Minuten Trainingszeit in dieses Ziel zu investieren, außerdem deine Ernährung nicht ändern möchtest, dann such dir ein anderes Ziel.

Denn: Tabata ist nicht die magische Pille des Trainings.

Warum? Das erfährst du im neuen #tarektalk. Darin geht es um:

  • Das Heilsversprechen von Tabata ist Marketing
  • Wenn du Tabata-Training machen möchtest, besorgst du dir am besten einen Kotzeimer
  • Und: wenn du Körperfett verlieren möchtest, musst du ohnehin etwas anderes tun.

Ready?

Gut, dann lass uns loslegen.

Let’s Talk unbequeme Wahrheiten 

Es gibt kein 7 Minuten Training, keine magische Übung, kein exorbitant gutes Intervalltraining, das innerhalb kürzester Zeit Wirkungen zeigt und der Heilige Gral ist. Fit und gesund werden ist Arbeit.

Fit und gesund bleiben ist noch mehr Arbeit.

Kein Tabata? Was dann? Lass uns darüber sprechen.

Fitness ist Marketing

Fitness ist eine Industrie und Industrien machen Geld mit Werbeversprechen.

Die Fitness-Industrie verdient ihr Geld mit dem ewigen Versprechen, noch schneller noch fitter zu werden. Jeder Trend der letzten Jahrzehnte fußt auf diesem Versprechen und jeder Trend behauptet, nun wirklich die Magische Pille gefunden zu haben.

CrossFit, EMS-Training, Jumping Fitness, Bodypump und jüngst Tabata-Training.

Tabata ist eine Form des High Intensity Intervall-Trainings, das auf folgendem Work-Rest-Prinzip basiert: eine Übung wird in 20 Sekunden mit hoher Intensität und maximaler Wiederholungszahl ausgeführt, dann wird für 10 Sekunden pausiert und diese Kombination wird 8 Mal wiederholt. 4 Minuten.

Und Tabata in den Fitnessstudios? 30-60 Minuten-Kurse, ewige Abfolgen von 20/10 Intervallen, viel Gespringe, viele Burpees, viel Schweiß, viel Homonausstoß.

Wo soviel Arbeit gemacht wird, muss auch viel rauskommen, oder?

Das Tabata-Versprechen

Das Versprechen:

mehr Leistungsfähigkeit, mehr Kalorienumsatz, mehr ‘Fitness’ in kürzerer Zeit. Was immer unter Fitness zu verstehen ist - der normale Mensch wird es gleichsetzen mit mehr Muskeln und weniger Fett. 4 Minuten Training, mehr Muskeln, weniger Fett.

Kaum ein Werbeversprechen könnte besser klingen als das - und auch, wenn das Konzept um das Tabata-Training in Deutschland noch nicht so groß ist wie in den USA fangen auch hierzulande die Studios schon an, Tabata-Kurse als Wunderwaffe im Kampf gegen Fett, Faulheit und Falten zu verkaufen.

Die Tabata-Studie

Die Idee von Tabata geht zurück auf eine Studie von Izumi Tabata aus dem Jahr 1996, womit er die Leistungsfähigkeit von Athleten effizient und zeitsparend steigern wollte, um Trainingsaufwand und -nutzen zu optimieren (Tabata I., et al., Effects of moderate-intensity endurance and high-intensity intermittent training on anaerobic capacity and VO2max, Med Science Sports Exercise 28, 1996).

Die Intervalle wurden durchgeführt auf einem Fahrradergometer mit Eisschnellläufern, also Profi-Sportlern, die während der 20-Sekunden-Intervalle nicht nur intensiv, sondern ultraintensiv arbeiteten - die Intensität lag bei 170% der VO2 Max (der maximalen Sauerstoffaufnahmefähigkeit).

Die Sportler absolvierten das Programm an vier Tagen in der Woche.

Sie trainierten dazu an einem Tag 30 Minuten normales Cardio-Training und hatten an jedem ihrer 4 Tabata-Tage zusätzlich 10 Minuten ‘normales’ Radfahren auf dem Plan. Sie hatten außerdem Cool-Down-Phasen in ihren Programmen - jede Einheit dauerte damit um die 30 Minuten.

Du brauchst kein Tabata. Du brauchst Struktur. Lass uns daran arbeiten.

Die Realität hinter Tabata

Aus dem 4-Minuten-Training wird damit ein 30-Minuten-Workout. An fünf Tagen in der Woche.

Aber, was noch viel wichtiger ist: die Intensität, die bei Tabata abgerufen werden soll, ist für 99% der Menschen schlichtweg nicht zu leisten. 170% der VO2 Max ist 70% mehr als der Punkt, an dem normale Menschen wegen übermäßiger Erschöpfung abbrechen und viele sich erbrechen möchten. Diese Intensität für 20 Sekunden. 8 Mal.

Mit 10 Sekunden Pause. An 4 Tagen in der Woche.

Ein Studio, was einen Kurs mit dieser Beschreibung anbieten würde, hätte schnell keine Kunden mehr.

‘Echtes’ Tabata lässt die CrossFit-Games wie einen Spaziergang erscheinen.

Wer einmal versucht hat, eine Cardio-Übung – hervorragend eignen sich Sprints oder das Assault Bike – so schnell und intensiv zu absolvieren, dass er keine Luft mehr bekommt – und dann noch schneller wird, der hat ansatzweise eine Ahnung davon, was 170% Intensität bedeutet.

Ansatzweise. Nicht vollständig. Wer dann 10 Sekunden hechelt, um diese Tortur sieben Mal zu wiederholen, bekommt wiederum eine Ahnung davon, wie lange 4 Minuten sein können.

Die Idee von Tabata ist im Grunde, etwas nicht-Wiederholbares (eine Belastung, die eigentlich unsustainable ist) zu wiederholen, und das mit der exakt gleichen Intensität in jedem Intervall. Tabata ist highest intensity Training abzüglich der gängigen Pausen.

Und: der einzige erwiesene Benefit ist die Erhöhung der aeroben und anaeroben Ausdauer. Nichts ist damit über Fettverlust gesagt. Nichts über Muskulatur.

Wir wissen, dass HIIT Training im Allgemeinen gute Ergebnisse bringt, wenn es um Fettverlust geht. Aber für Tabata-Training im Speziellen ist das nie untersucht worden.

Izumi Tabata hat das schlichtweg nicht interessiert, weil es ihm um eine effiziente Form zur Steigerung der Peak-Performance für Top-Athleten in der Wettkampf-Vorbereitung ging. Ihm war es völlig gleichgültig, wieviel Körperfett Athleten dabei verlieren oder wie ihr Metabolismus dadurch angeregt wurde.

Tabata ist, kurz gesagt, eine Methode, um aus absoluten Spitzensportlern mit simplen und effizienten Mitteln noch etwas mehr herauszuholen.

Also kein Tabata - sondern?

Um die Dinge klar auf den Punkt zu bringen: keiner von uns wird jemals Tabata-Training machen. Wir machen High-Intensity-Intervalltraining, das sich an den Tabata-Intervallen orientiert. Und das ist völlig in Ordnung, denn es hat Vorteile, diese Form des Intervalltrainings zu absolvieren, zeitliche und gesundheitliche.

Es ist sinnlos, das auf vier Minuten zu begrenzen, sinnvoller wäre es, das Intervall-Training auf 15-20 Minuten anzulegen, mit größeren Pausenzeiten nach jeweils 4 Minuten. Es ist sinnvoll, die Übungen komplex zu wählen, so, dass ein hoher Energieumsatz garantiert ist, es ist jedoch sinnlos, eine Übung durchgehend auszuführen. Es ist sinnvoll, Übungen auszuwählen, die relativ voraussetzungslos sind und nicht allzu verletzungsanfällig.

Es ist sinnvoll, solche HIIT-Einheiten nicht mehr als zweimal pro Woche zu absolvieren, um das System nicht zu überlasten.

Und es ist sinnvoll, High Intensity erst dann überhaupt zu machen, wenn man weiß, was Intensität ist (wer sich fragt, wann dieser Zeitpunkt da ist: das hier anschauen).

Und wenn man weiß, dass Intensität unterschiedlich sein kann.

Für stark übergewichtige Menschen ist Treppensteigen bereits HIIT-Training, ein Training bestehend aus 20/10 Intervallen ist für sie absolut unangebracht. Wir müssen gesund trainieren, bevor wir hochintensiv trainieren.

Wir wissen, dass es für uns Menschen am gesündesten ist, 2-3 Stunden moderate Bewegung jeden Tag mit überschaubaren hochintensiven Intervallen zu absolvieren. Eine sitzende Tätigkeit über 10h am Tag, die dann ergänzt wird durch ein Alibi-Training, das 4 Minuten lang den Puls über alle Maßen hochtreibt, ist das Gegenteil davon.

Nicht mehr planlos im Studio rumlaufen und verzweifelt überlegen, was du tun könntest?

Bringing it all together – Realtalk

Fit und gesund werden verlangt Arbeit und es verlangt Zeit. Je mehr man weiß, desto effizienter kann man den Prozess gestalten, aber das Ziel ‘Fitness’, ‘Fettverlust’ und ‘Muskelaufbau’ wird niemals in 4 Minuten zu erreichen sein. Nie. Auch nicht in 7. Das ist die schlechte Nachricht.

Die gute ist: man kann die Zeit, die man investieren muss, so gestalten, dass sie sich gut anfühlt und sogar Spaß macht. Und das sollte das Ziel sein.

Man kann den Weg zum Ziel machen. Man kann Bewegung für sich finden, von der man nicht will, dass sie in 4 Minuten vorbei ist. Man kann seine Prioritäten verschieben, seine Einstellung zu den Dingen finden, die es erlaubt, sich mit etwas in die Bewegung zu stürzen, was man als Hingabe, Leidenschaft oder Freude beschreiben kann.

Tabata, in seiner kommerzialisierten Form, ist das leere Versprechen, das eine Industrie uns gibt, der es weder um unsere Gesundheit, noch um unser Wohlbefinden, noch um unsere Leistung geht, sondern einzig und allein darum, uns an sich zu binden, damit wir zahlen.

Die Hinwendung einer ganzen Gesellschaft – einer modernen, industrialisierten, westlich geprägten Gesellschaft – hin zu Trends, die in immer kürzerer Zeit immer mehr Erfolge verheißen, ist weder mangelnde Aufklärung, noch mangelndes Wissen, es ist der unbedingte Wille zum Glauben: zum Glauben, dass auch wir erreichen können, was andere erreicht haben, dass auch wir Erfolg in Beruf, Privatleben, im Sport, in der Freizeit haben, dass wir auf allen Hochzeiten tanzen können, ohne unser Hemd wechseln zu müssen.

Tabata, in seiner ursprünglichen Form, sagt etwas ganz anderes: wenn du an fünf Tagen in der Woche arbeitest, an vier dabei an deine Grenzen gehst und sogar darüber hinaus, dann wirst du Erfolge haben, die größer sind, als wenn du diesen Einsatz nicht bringst.

Tabata ist nicht die magische Wunderpille des Trainings – sondern in seiner brutalen Ehrlichkeit eigentlich das genaue Gegenteil davon. Tabata ist die deutliche Botschaft, dass Training Arbeit ist. Harte, ehrliche Arbeit. Und das einzige Versprechen, was Tabata gibt, ist, dass dein Körper dich belohnen wird, wenn du ihn forderst.

In dieser Einfachheit ist Tabata sinnbildlich für das, was für Training allgemein gilt:

Simple.

Not easy.

Und dafür der ganze Text?

Ja.

Denn ihr wisst:

Simple. Not easy.

Bis zum nächsten #tarektalk.